Impfempfehlungen
Impfempfehlungen nach hämatopoetischer Stammzelltransplantation
Eine Impfung dient dazu, den Geimpften vor einer ansteckenden Krankheit zu schützen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass der Impfschutz nach einer allogenen Stammzelltransplantation über einen Zeitraum von 1-4 Jahren zunehmend schwächer wird. Deswegen ist es sinnvoll, nach einer
Transplantation wieder für einen ausreichenden Impfschutz zu sorgen.
Die Funktionsfähigkeit der Infektabwehr nach einer Transplantation hängt ab von der Art der Transplantation, der Vorbehandlung (Konditionierung), einer GvHD und den immunsuppressiven Medikamenten, die gegeben werden, um eine GvHD zu verhindern oder zu behandeln.
Die Impfempfehlungen in dieser Broschüre basieren auf dem Konsens der Deutsch-Österreichisch-Schweizer Arbeitsgruppe GvHD1.
Die Empfehlungen der verschiedenen Transplantationszentren weichen häufig von dem Konsens ab. Es ist sinnvoll, sich nach den Empfehlungen des eigenen Transplantationszentrums zu richten. Häufig erhalten Sie durch Ihr Zentrum eine Impfempfehlung mit der Bitte, diese durch den Hausarzt umsetzen zu lassen.
Die Impfungen werden als Grundimmunisierung durchgeführt, also so als ob es sich um eine Erstimpfung handeln würde.
Nicht gegen alle ansteckenden Krankheiten kann man impfen, aber doch gegen eine Reihe wichtiger Infektionskrankheiten. Geimpft wird mit abgetöteten Erregern bzw. Bruchstücken von abgetöteten Erregern („Totimpfstoff“ - z.B. Tetanus, Diphtherie, Polio) oder mit lebenden, aber abgeschwächten Erregern („Lebendimpfstoff“ - z.B. Masern, Mumps, Röteln), die i.d.R. keine Infektsymptome auslösen. Von Totimpfstoffen geht auch bei bestehender Immunsuppression keine Gefahr einer Infektion aus. Möglich ist jedoch, dass der Körper wegen der Abschwächung des Immunsystems nur eine unzureichende Immunantwort zeigt, das heißt zu wenig Antikörper produziert. Dann hat die
Impfung keinen Schutzwert, hat aber auch nicht geschadet.
Impfungen werden im Allgemeinen gut vertragen. Mögliche Nebenwirkungen bei vielen Impfstoffen können sein: eine Reaktion an der Impfstelle (Rötung, Schwellung, Schmerzen), grippeähnliche Symptome oder eine Temperaturerhöhung. Eine Impfung ist sinnvoll, aber nicht überlebenswichtig, weswegen auch über seltene Komplikationen aufgeklärt werden muss. Der vorliegende Text ersetzt also nicht die ärztliche Aufklärung vor der Impfung. Man sollte bedenken, dass die Risiken des Nichtgeimpftseins fast immer größer sind als die Risiken der Impfung. Impfungen mit Tot-/Toxoid-Impfstoffen beginnen in der Regel 6 Monate nach der allogenen Stammzelltransplantation. Mit
den empfohlenen Tot-/Toxoid-Impfstoffen kann ein Impferfolg auch bei bestehender GvHD unter Immunsuppression erreicht werden. Bei Erwachsenen kann eine Verschiebung des Impfbeginns um maximal 3 Monate erfolgen, wenn eine kurzfristige Verbesserung des Immunstatus erwartet wird. Die Grippeimpfung (Influenza) kann in besonderen Risiko-Situationen ab 4 Monaten nach Transplantation sinnvoll sein. Zur Kontrolle des Impferfolges unter Immunsuppression ist eine serologische Kontrolle der Antikörpertiter sinnvoll.
Durch die Impfung hat das Immunsystem die Chance, den Erreger kennenzulernen und Antikörper (Ak), d.h. Abwehreiweiße, zu entwickeln ohne dass der Körper die Infektion durchmachen muss. Die Antikörperkann man im Blut messen; man spricht von der Bestimmung der Antikörpertiter. Wird ein Mensch mit dem wirklichen Erreger konfrontiert, ist er bereits gut vorbereitet und kann mithilfe seiner Antikörper den Erreger sofort bekämpfen, bevor die Erkrankung ausbricht, und der Geimpfte bleibt gesund.
Totimpfungen
Gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten (Pertussis) - diese drei Impfungen werden mit „DTaP“ abgekürzt, Kinderlähmung (Poliomyelitis „IPV“) und Haemophilus Influenza B („Hib“) sollte 6 Monate nach der Transplantation geimpft werden. Zwei Wiederholungsimpfungen folgen jeweils nach weiteren 4 Wochen und eine Auffrischung 18 Monate nach der Transplantation. Aufgrund des besseren Impferfolges sowie des Fehlens eines Einzelimpfstoffs gegen Keuchhusten- und Haemophilus influenza B für Erwachsene werden Kombinationsimpfstoffe mit einem höheren Diphtherie- und Pertussisantigengehalt (sog. Säuglingsimpfstoffe, z.B. Pentavac® oder Infanrix hexa) eingesetzt. Diese Impfstoffe werden von allogen Transplantierten in der Regel gut vertragen.
Gegen Pneumokokken sollte 6 Monate nach der Transplantation geimpft werden. Zwei Wiederholungsimpfungen folgen jeweils nach weiteren 4 Wochen und eine Auffrischung 18 Monate nach der Transplantation. Verwendet wird ein sog. Konjugatimpfstoff (z.B. Prevenar 13®).
Gegen Hepatitis B (HB) sollte 6 Monate nach der Transplantation geimpft werden. Zwei Wiederholungsimpfungen folgen jeweils nach weiteren 4 Wochen und eine Auffrischung 18 Monate nach der Transplantation. Die Impfung ist im Kombinationsimpfstoff Infanrix hexa enthalten.
Eine Grippeimpfung gegen Influenzaviren wird im Herbst, das heißt ab September, empfohlen, wenn die allogene Transplantation mindes tens 4-6 Monate zurückliegt. Eine jährliche Grippeimpfung sollte für allogen Transplantierte lebenslang durchgeführt werden. Für Familienmitglieder und alle, die im gemeinsamen Haushalt leben, wird nachdrücklich eine Grippeimpfung im Herbst empfohlen.
Nur wenn besondere Risiken in Betracht zu ziehen sind, wird gegen Frühsommer-Menigoencephalitis (FSME), Meningokokken und ggf. gegen Hepatitis A geimpft.
Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) empfiehlt Mädchen von 9 – 14 Jahren eine Impfung gegen das humane Papillomavirus (2 Dosen im Abstand von 5 Monaten). Falls die Impfungen nicht gegeben wurden, sollte dies bis zum 18. Lebensjahr nachgeholt werden; in diesem Fall werden 3 Dosen gegeben. Die STIKO hat im Juni 2018 beschlossen, die HPV-Impfung auch Jungen zwischen 9 - 14 Jahren zu empfehlen. Studien zeigen, dass Männer und Frauen ebenfalls von einer HPV Impfung profitieren. Sie können im Rahmen von Einzelfallentscheidungen geimpft werden, dies ist jedoch nicht Bestandteil der STIKO Empfehlungen.
Lebendimpfungen
Die Impfungen gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR) sind Lebendimpfungen und werden mit abgeschwächten Viren durchgeführt. Verwendet wird meist ein Kombinationsimpfstoff gegen alle drei Erkrankungen. Lebendimpfungen dürfen frühestens nach Ablauf von 2 Jahren durchgeführt werden. Dies aber nur, wenn keine GvHD vorliegt und keine immunsuppressiven Medikamente eingenommen werden. In diesen Fällen sind Lebendimpfungen kontraindiziert. Bei „Lebendimpfstoffen“ können unter Immunsuppression Krankheitszeichen auftreten, weil die lebensfähigen, aber abgeschwächten Erreger bei einem Menschen mit eingeschränkter Immunabwehr sich eben doch so stark vermehren können, dass Symptome und Krankheitszeichen wie bei der Infektionskrankheit selbst auftreten. Deswegen muss bei Lebendimpfstoffen die Indikation zu einer Impfung streng gestellt werden.
Vor einer geplanten Lebendimpfung sollten 2 Jahre nach Transplantation die Antikörpertiter bestimmt werden, um die Impfindikation zu überprüfen.
Im Haushalt lebende Mitbewohner können gegen MMR geimpft werden. Eine Übertragung der Erreger von frisch Geimpften auf nicht Geimpfte wurde bisher nicht beobachtet. Für den Transplantierten bedeutet es einen Schutz, wenn alle im Haushalt Lebenden über einen vollen Impfschutz verfügen.
Sollte in Ihrem Lebensumfeld jemand nach einer Impfung mit einem Lebendimpfstoff jedoch eine Hautreaktion entwickeln, sollen der Geimpfte und der Transplantierte getrennt werden und Kontakt mit dem Transplantationszentrum aufgenommen werden.
Immunsupprimierte Erwachsene sollten sich nicht gegen das Herpes Zoster Virus (VZV; Windpocken, Gürtelrose) impfen lassen. Wenn ein Mitbewohner nach einer Impfung gegen Herpes Zoster Hautbläschen oder andere Veränderungen zeigt, muss eine ausreichende räumliche Trennung erfolgen. Sinnvoll ist es aber, dass sich Familienangehörige und andere enge Kontaktpersonen impfen lassen, falls sie in der Vergangenheit keine Herpes-Zoster-Infektion (Windpocken, Gürtelrose) durchgemacht haben oder geimpft wurden. Dadurch können sie nicht zum Überträger dieser Erkrankung werden. Bestehen Unklarheiten über den Infektionsschutz von Familienangehörigen bzw. engen Kontaktpersonen gegen VZV, kann man eine Bestimmung des Antikörpertiters durchführen.
Sinnvoll ist es aber, dass sich Familienangehörige und andere enge Kontaktpersonen impfen lassen, falls sie in der Vergangenheit keine Herpes-Zoster-Infektion (Windpocken, Gürtelrose) durchgemacht haben oder geimpft wurden. Dadurch können sie nicht zum Überträger dieser Erkrankung werden. Bestehen Unklarheiten über den Infektionsschutz von Familienangehörigen bzw. engen Kontaktpersonen gegen VZV, kann man eine Bestimmung des Antikörpertiters durchführen.
Zusammengefasst sind die Impfempfehlungen nach allogener Stammzelltransplantation in 2 Tabellen (Stand 26.03.2018. Vorschlag der German-Austrian-Swiss Consensus Conference, KMT-Zentren verwenden in der Regel hauseigene Impfpläne, die im Detail abweichen können). Tabelle 3.1. nennt die obligat (unbedingt) empfohlenen Impfungen, Tabelle 3.2 nennt die optionalen (wahlweisen) Impfungen. Die Empfehlungen gelten auch für autolog Transplantierte. Es existieren bis jetzt keine Daten, die unterschiedliche Empfehlungen nahelegen (Ljungman P. et al. BMT, 2009, 521-526).
3.1 OBLIGATE IMPFUNGEN FÜR ERWACHSENE | |||||
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Monate nach Stammzelltransplantation | |||||
Handelsnamen / Beispiele | 6 | 7 | 8 | 18 | |
Diphtherie | Infanrix hexa | X | X | X | X |
Tetanus | |||||
Bordetella Pertussis (Keuchhusten) | |||||
Haemophilus Influenza B | |||||
Poliomyelitis (Kinderlähmung) | |||||
Hepatitis B | |||||
Pneumokokken | Prevenar13 ® | X | X | X | X |
Influenza / Grippe | Influsplit Tetra Vaxigrip Tetra ® |
1 x jährlich; Beginn (4)-6 Monate nach der Stammzelltransplantation; nur inaktivierte Vakzine verwenden | |||
Pentavac® ist ein Kombinationsimpfstoff gegen: Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus influenzae Typ B und Poliomyelitis. Infanrix hexa schützt zusätzlich vor Hepatitis B. |
3.2 OPTIONALE IMPFUNGEN – D.H. NUR FÜR AUSGEWÄHLTE PATIENTEN | |||||
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Alter | Handelsname(Beispiele) | Beginn der Vakzinierung (Monate nach allo HSCT) | Zahl der Vakzinationsdosen | Empfehlungsstärke | |
Totimpfstoffe | |||||
Hepatitis A | Erwachsene | Havrix 1440 | 6-12 | 3+1 (nach 18 Monaten) | Optional bei Risiko |
FSME / Frühsommermenigoencephalitis | Erwachsene / Kinder | FSME-IMMUN | 6-12 | 3 | Optional / in Risikogebieten |
Humanes Papillomavirus | Mädchen im Alter von 9-14 Jahren | Gardasil® | 6-12 | 2 | Optional |
N. meningitidis (konjugiert) | Erwachsene / Kinder | Meningitec® | 6-12 | 1 | Optional |
Lebendimpfstoffe | |||||
Masern / Mumps / Röteln | Kinder / (Erwachsene) | M-M-RvaxPro® | ≥ 24 | 2 | Ja, nur bei immunkompetenten Patienten!* |
Varicella Zoster Virus | Kinder | Varilrix | ≥ 24 | 2 | Ja, nur bei immunkompetenten Patienten!* |
*Immunkompetent sind Patienten, die nicht an GvHD leiden und seit mindestens 6 Monaten ohne Immunsuppression sind. |
Vielen Dank für die Bearbeitung an
Dr. med. Dipl. Psych. Andreas Mumm
Klinik für Tumorbiologie - Freiburg
1(Hilgendorf I, et al. Cell transplant Vaccination of allogeneic haematopoietic stem cell transplant recipients: Report from the International Consensus Conference on Clinical Practice in chronicGVHD. Vaccine, 2011, S. 2825.) Eingang in diesen Konsens fanden die Impfempfehlungen der EBMT (European Blood and Marrow Transplantation Group) und der CDC (Centers for Disease Control and Prevention). Der Konsens wurde erarbeitet unter der Schirmherrschaft der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation (DAG-KBT), der Deutschen Ges. für Hämatologie und Med. Onkologie (DGHO), der Österreichischen Arbeitsgruppe für Stammzelltransplantation der ÖGHO, der Schweizer Blutstammzelltransplantationsgruppe (SBST), der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft pädiatrische Knochenmark- und Blutstammzelltransplantation