ALL und allogene Knochenmarktransplantation
Erfahrungsbericht einer allogen knochenmarktranplantierten ALL-Patientin
Giuseppe und mein 2. Leben
von Marline (Bericht von 2004, ergänzt in 2025 – heute 31 Jahre alt)

Ich heiße Marline und bin 11 Jahre alt, und meine Hobbys sind Reiten, Tanzen und meine Katze Guiseppe. Sie hat ein ganz weiches Fell und lässt sich auch gern kraulen, und ich nehm sie auch manchmal mit ins Bett.
Als ich sechs war, da wurde es mir eines Morgens schlecht, und ich bin im Badezimmer zusammengebrochen. Meine Mutter hat mich zum Arzt gebracht, und der hat uns direkt in die Uniklinik Köln geschickt. Ich hatte ganz viel Angst, was die da mit mir machen würden. Die Ärzte dort wussten erst auch nicht, was mit mir los war und haben ganz viele Untersuchungen gemacht. Dann haben sie mich auf die Onkologie (Krebsstation) verlegt. Ich lag mit einem Mädchen im Zimmer, das auch Krebs hatte. Sie hat mir alles erklärt, auch wie das mit der Chemotherapie ist. Da fließen die Medikamente durch Schläuche in den Körper. Davor hatte ich schon ziemliche Angst. Aber ich hab mir gedacht, wenn sie das aushält, schaff ich das auch!
Leider hab ich die Chemotherapie nicht gut vertragen. Ich bekam keine Luft mehr und ganz dolles Bauchweh. Außerdem bin ich von den Medikamenten ganz dick geworden. Aber das Schlimmste war: Als ich eines Tages aufwachte und in den Spiegel guckte, da lagen alle meine Haare auf dem Kopfkissen. Das war ein sehr komisches Gefühl.
Eigentlich hätte ich im Sommer 2000 zur Schule kommen sollen, aber weil ich so krank war, ging es nicht. Das war sehr traurig, denn jetzt konnte ich nicht in einer normalen Schule eingeschult werden, sondern musste im Krankenhaus zur Onko-Schule gehen.
Weil es mir immer noch nicht besser ging, beschlossen die Ärzte, dass ich eine Knochenmarktransplantation bekommen sollte. Bei einer Operation haben sie meinem Bruder Dominik Knochenmark entnommen, das kam in einen Blutbeutel und ist dann über Schläuche vier Stunden lang in mich reingelaufen. Ich fand das sehr toll, dass mein Bruder das gemacht hat. Und er war auch sehr stolz.
Weil man nach einer Knochenmarktransplantation ganz leicht einen Rückfall bekommen kann, wurde ich in die Essener Uniklinik verlegt. Dort musste ich in einem ganz kleinen keimfreien Zimmer leben, das nannte man Box (Schachtel). Ich habe einen Mundschutz getragen, und meine Familie durfte mich nur durch eine Glasscheibe sehen. In dieser Zeit habe ich ganz viel gemalt. Ich habe auch Angst gehabt, dass ich sterben könnte. Ich hab gedacht, ich bin tot und alle sind traurig. Dann werd ich ein Engel und komm zu meinem Hund in den Himmel.
Meine Mutter hat mir in dieser Zeit versprochen, dass ich eine eigene Katze kriege, wenn ich wieder gesund werde. Und das wollte ich unbedingt. Es hat zwar fast zwei Jahre gedauert, aber jetzt bin ich geheilt, sagen die Ärzte. Meine Haare sind nachgewachsen und ich bin so dünn wie früher. Ich wohne wieder zu Hause und gehe in eine ganz normale Schule. Meine Katze Guiseppe ist mein bester Freund.
Marline
Ergänzung (April 2024)
Ich bin 30 Jahre alt und es geht mir gut. Meine Krankheit habe ich gut überstanden – aber nicht vergessen! 2006 ergab sich bei der Jahresuntersuchung aufgrund einiger Sehprobleme die Diagnose Grauer Star. Trotzdem brauchte ich keine Brille und die Sehkraft hat sich nicht verschlechtert. Im Frühjahr 2010 wurden bei der Jahresuntersuchung Veränderungen in der Schilddrüse festgestellt. Diese sind wohl eine Spätfolge der Bestrahlungen. Bei der Kontrolluntersuchung für eine 2. Meinung in der Uniklinik Bonn hat man mir die Veränderungen bestätigt. Ich soll einmal im Jahr zur Kontrolle kommen um das ganze weiter zu beobachten. Da ich mich mit einer Kontrolle alle 6 Monate einfach wohler fühlte, bin ich alle 6 Monate in der Uniklinik Bonn zur Kontrolle gewesen. Die Jahresuntersuchung findet seit 2013 in einer onkologischen Praxis statt und die Schilddrüsenuntersuchung speziell in der Uniklinik Bonn.
Im Juli 2019 wurde mir bei der Kontrolle der Schilddrüse empfohlen nach drei Monaten wieder zu kommen. Tabletten musste ich nach wie vor keine nehmen jedoch war man über die Anzahl der Knoten etwas beunruhigt. Die Knoten sind alle sehr klein aber man wollte es sich lieber einmal nach kürzerer Zeit ansehen.
Nach drei Monaten bin ich wieder in Bonn gewesen und es schien alles wie bei den letzten Kontrollen der Schilddrüse zu sein. Die Knoten waren weiterhin klein aber davon einige. Leider war das Blutbild nicht in Ordnung und ich sollte nach zwei Wochen zur Blutkontrolle wiederkommen. Ich bin nach zwei Wochen dann wieder nach Bonn gefahren und es wurde Blut abgenommen. Ich fand das ganze schon sehr beunruhigend dafür, dass ich eigentlich nur einmal im Jahr kommen sollte. Nachdem ich die Blutergebnisse im Brief nach Hause bekommen habe war die Empfehlung die Schilddrüse schnellstmöglich entfernen zu lassen.
Am 11.11.2019 wurde ich operiert und mir wurde die gesamte Schilddrüse entfernt. Seitdem nehme ich L-Thyrox und mir geht es gut. Speziell zur Uniklinik Bonn zur Kontrolle muss ich nicht mehr. Die Blutuntersuchung übernimmt mein Hausarzt um zu sehen, dass ich mit dem L-Thyrox gut eingestellt bin.
Mittlerweile habe ich eine Brille, da man bei einer Augenarztuntersuchung festgestellt hat, dass zum Grauen Star noch eine Kurzsichtigkeit hinzugekommen ist.
Nach der KMT hatte ich damals die Mundschleimhaut sehr angegriffen. Das ist leider nicht so spurlos an meinem Zahnfleisch vorbeigegangen. Ich gehe deswegen alle 6 Monate zur professionellen Zahnreinigung, da es meinem Zahnfleisch gut tut und mich bis jetzt vor einer Parodontose-Behandlung bewahrt hat. Ich putze gründlich die Zähne, benutze Mundspülungen und Zwischenraumbürsten damit ich mein Zahnfleisch im Rahmen halten kann.
Auch habe ich seit der KMT mit trockener Haut zu kämpfen. Vor allem an der Hand ist die Haut sehr trocken und rissig. Ich habe schon verschiedene Cremen ausprobiert und nichts hilft so richtig - ich warte auf einen Hautarzttermin.
Reiten gehört nach wie vor zu meinem großen Hobby. Der enge Bezug zu Pferden und der Reitsport hat sich immer positiv auf meine innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit bemerkbar gemacht. Es fördert die Kondition und verbessert die Balance. Seit 2019 habe ich einen Deutschen Reitpony Wallach namens Mirage und seit Januar 2024 habe ich einen Minishetty Hengst namens Flip.
Kater Giuseppe ist mittlerweile leider verstorben. Meine Ausbildung als Kauffrau im Gesundheitswesen bei der Krankenkasse habe ich 2014 begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Mein Wunsch einen Beruf mit medizinischem Hintergrund hat sich somit erfüllt. Ich arbeite auch heute noch bei der Krankenkasse.
Ich habe meinen Führerschein gemacht und habe mir den Traum vom ersten eigenen Auto verwirklicht.
Mittlerweile habe ich auch zwei Tattoos als Erinnerung/Verarbeitung von der KMT damals.
Ich wohne mit meinem Freund zusammen und wir haben zwei Hauskatzen namens Simba und Nala.
Aktualisierung März 2025
Im Dezember 2024 bin ich 31 Jahre alt geworden. Meine ALL bzw. KMT ist heute 24 Jahre her.
Aufgrund des Umzugs vor ein paar Jahren zu meinem Freund habe ich meine Frauenärztin gewechselt. 2020 bei der ersten Untersuchung fragte sie mich, ob aktuell ein Kinderwunsch bestehen würde. Der Kinderwunsch bestand damals nicht aber ich sagte ihr, dass wir uns in Zukunft schon ein Kind wünschen würden. Sie sagte damals, wenn das Thema für uns näher rücken würde, sollte ich ihr Bescheid sagen. Sie würde mir dann lieber direkt eine Überweisung für ein Kinderwunschzentrum geben damit man von Anfang an Fachleute an der Seite hat und wir nicht alleine sind. Meine körperlichen Gegebenheiten wären nicht ideal, um ein Kind auf natürlichem Wege zu bekommen.
Ich war geschockt. Damit hatte ich nie gerechnet und meine frühere Frauenärztin hat auch nie sowas in der Art erwähnt. Ich habe mir immer gewünscht irgendwann Mutter zu werden und dass es jetzt wahrscheinlich auf natürlichem Wege unmöglich sei, war ein großer Schock. Der Wunsch bestand von uns nicht aktuell aber in Zukunft auf jeden Fall, das ganze musste ich erstmal verarbeiten.
Das Thema rückte ein wenig in den Hintergrund, dennoch musste ich immer wieder darüber nachdenken. Mir wurde klar, dass wenn der Wunsch besteht man sich wahrscheinlich auf einen längeren Weg einstellen muss ggf. mit Hormonbehandlung etc. Ich habe das Thema lange vor mir hergeschoben. Ich hatte Angst vor dem Ergebnis des Kinderwunschzentrums und dass es dann "endgültig" ist. Ich habe sogar einmal einen Termin gemacht und eine Stunde später doch wieder abgesagt.
Durch einige Zufälle ergab sich dann, dass mein Freund und ich im Laufe des Jahres 2024 entschieden haben ein Haus zusammen zu kaufen.
Im August 2024 hatten wir dann den Termin im Kinderwunschzentrum. Wir sind zusammen dorthin gefahren und wollten einfach mal hören wie unser Weg aussehen könnte und was möglich ist. Die Ärztin war sehr nett und ich hatte den Anamnesebogen gründlich ausgefüllt und sie hat einige Untersuchungen gemacht. Sie machte uns erstmal Mut und sagte, dass die Organe erstmal nicht bedenklich aussehen würden - wir sollten uns erstmal keine Sorgen machen. Der erste Weg sei die Pille abzusetzen und vier Wochen danach eine Blutabnahme morgens nüchtern erfolgen soll. Nach dem Termin schöpften wir doch wieder Hoffnung nach Ihren Aussagen. Im September 2024 bin ich dann zur Blutabnahme morgens nüchtern gefahren. Für die Ergebnisbesprechung mussten wir einen separaten Termin machen. Ende September war die Ergebnisbesprechung. Wir hatten eine Woche Urlaub und wollten montags morgens als erstes die hoffentlich positiven Ergebnisse hören mit einem Plan wie es weitergehen kann. Die Ärztin empfing uns fröhlich und freundlich wie beim letzten Mal. Wir setzten uns und sie erklärte uns die Blutergebnisse. Es gab einige Hormonwerte, die nicht so waren wie sie in meinem Alter sein sollten. Ich machte mir keine Sorgen und dachte es wird wohl eine Hormontherapie auf mich zukommen. Bis sie am Ende des Gespräches sagte, dass ich einen Hormonstatus habe wie eine Frau in den Wechseljahren und auch keine Eizellen mehr auf Vorrat da seien und sie so im Kinderwunschzentrum nichts mehr für uns tun können. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film und konnte es einfach nicht glauben. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich war einfach nur geschockt. Mit dem Ergebnis hatten wir nicht gerechnet. Ich war froh, als wir aus der Praxis raus waren.
Wir sind nach Hause gefahren und einige Tage später kam der Arztbrief. Die Diagnose heißt Prämature Ovarialinsuffizienz. Dies bezeichnet den vorzeitigen Verlust der Ovarialfunktion vor dem 40. Lebensjahr = vorzeitige Wechseljahre. Bei mir als Folge nach Bestrahlung und Chemotherapie. Ich sollte einen Termin machen bei meiner Frauenärztin zur Besprechung für eine Hormonersatztherapie, diese sei nötig um z.B. Osteoporose vorzubeugen.
Ich musste das Ganze erstmal verarbeiten und es fiel mir alles sehr schwer. Man sieht viele Kinder um sich herum und in meinem Alter wird man auch immer mit diesem Thema konfrontiert.
Für den weiteren Weg der Familienplanung gibt es für uns nur zwei Möglichkeiten. Eine Eizellenspende, was in Deutschland jedoch nicht möglich ist oder den Weg der Adoption.
Im Dezember 2024 kurz vor Weihnachten sind wir mit unseren Katzen in unser Haus eingezogen. Dadurch waren bzw. sind wir aktuell noch viel beschäftigt und es war eine willkommene Ablenkung. Wir schließen das Thema der Eizellenspende im Ausland für uns aus, da die Erfolgschancen sehr niedrig für uns sind und mit immensen Kosten verbunden ist und möchten den Weg der Adoption dieses Jahr angehen.
Vielen Dank für den Bericht an
Marline Forche
Mehr Info auf www.platz-home.de
(Marline freut sich über Einträge im Gästebuch)