AML und autologe Stammzelltransplantation

Erfahrungsbericht nach AML und autologer Stammzelltransplantation

von Tina Stecher (20. April 2001, aktualisiert am 09. September 2013)

Vorgeschichte


September 2000

Während eines Urlaubs in der Türkei bekam ich plötzlich starke Zahnschmerzen, obwohl ich 14 Tage vorher gerade beim Zahnarzt war. Meine Reiseleiterin besorgte mir aus der Apotheke ein Antibiotikum und Vitaminpillen. Diese Kombination half auch recht schnell, so dass ich den Urlaub doch fortsetzen konnte. Allerdings hatte ich einige Schwächeanfälle in den folgenden Tagen, die ich aber auf die Einnahme der Medikamente zurückführte.

September/Oktober 2000

Nach Rückkehr aus dem Urlaub starker Durchfall. Für meinen behandelnden Arzt klar: entweder Nebenwirkung des Antibiotikums oder eine Infektion aus der Türkei. Nach 1 Woche ging der Durchfall zurück und ich wieder arbeiten (genau 1 Tag).

Am 3. Oktober plötzlich starke Erkältungssymptome mit Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen. Am 4. Oktober Besuch des Hausarztes, nach weiteren 2 Tagen ohne Besserung verschrieb er mir Antibiotika. Trotzdem weitere Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Ich fand nachts keinen Schlaf mehr, weil ich vor Kopfschmerzen und vor allem Schweißausbrüchen nicht zur Ruhe kam.

Am 12. Oktober entdeckte ich morgens an beiden Oberarmen punktförmige Einblutungen unter der Haut. Daraufhin Blutentnahme durch meinen Hausarzt.

Am Freitag den 13. Oktober klingelt nachmittags das Telefon. Mein Hausarzt ist dran, er möchte dass ich sofort ins Krankenhaus gehe, weil meine Thrombozyten auf 41.000 gefallen sind. In der Notaufnahme des Krankenhauses erneute Blutuntersuchung: nur noch 33.000 Thrombozyten. Ich werde sofort auf Station gebracht. Die nächsten beiden Tage trotz Wochenende jede Menge Untersuchungen. Am Montag dann eine Beckenkammbiopsie (Entnahme des Knochenmarks zwecks Untersuchung). Dienstag früh dann die niederschmetternde Wahrheit: AML (Akute myeloische Leukämie).

Donnerstag unterzog ich mich auf Anraten der Ärzte einer Port-Implantation, weil bei meinen schlechten Venen die nachfolgenden Chemos erst recht schmerzhaft geworden wären. Nach kurzer Regenerationsphase dann am Montag Beginn der ersten Chemotherapie nach HAM-Protokoll.

Oktober/Dezember 2000

Die erste und die gleich anschließende zweite HAM-Chemotherapie mit der jeweils folgenden Aplasiephase habe ich im großen und ganzen gut überstanden. Klar, während der Chemogabe habe ich viel "rückwärts gegessen" und in der Aplasiephase jedes Mal einen kurzen Fieberschub, den man aber durch gezielte Medikamentengabe schnell im Griff hatte.

Nach der erfolgreichen 2. Chemo (vollständige Remission) wurde mir dann noch einige Tage länger das G-CSF gespritzt, damit die Stammzellen ausgeschwemmt werden. Tja, da die Vorschädigungen durch die Leukämie doch recht heftig waren, bangten wir jeden Tag ob ich denn überhaupt genügend Stammmzellen für die Apherese ausbilden würde. Aber nach ein paar Tagen war es dann doch so weit. In der Blutbank des Krankenhauses wurde ich "verkabelt" und die Prozedur begann. Insgesamt wurden 15 Liter "durchgewaschen", das heißt ca. 3x mein Blutvolumen. Das dauerte ungefähr 5 Stunden und war ziemlich anstrengend. Diese Prozedur musste ich 3 Tage hintereinander über mich ergehen lassen, bis genügend Zellen zusammengekommen waren, um die Transplantation (mit doppelter Sicherheit, also doppelter Menge) zu wagen.

Über Weihnachten durfte ich dann erst mal nach Hause, zum Regenerieren.

Januar/Februar 2001

Anfang Januar wieder ins Krankenhaus zu einer Chemo nach TAD-Protokoll. Die vertrug ich etwas besser und in der Aplasiephase ging es mir so weit gut, dass die Ärzte schon jeden Tag grinsend in mein Zimmer schauten ("na, Ihnen geht´s ja sowieso gut"). Nach 12 Tagen in der Umkehrisolation dann endlich wieder nach "draußen".

Wieder versuchte man, durch Gabe von G-CSF Stammzellen auszuschwemmen. Aber diesmal war das Knochenmark wohl doch schon zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden und es kamen einfach nicht genügend. Aber man hatte ja bei der ersten Apherese zum Glück genügend Zellen erhalten.

Anfang Februar durfte ich dann erst mal wieder nach Hause. Die folgenden Wochen habe ich mich prima erholt und konnte schon wieder eine Menge selber erledigen.

Stammzelltransplantation

März/April 2001

Am 23.03. - genau 4 Monate in vollständiger Remission - musste ich zum (hoffentlich letzten) nächsten Mal ins Krankenhaus. Vorbereitung auf meine autologe Stammzelltransplantation. Wieder alle Untersuchungen, ob alle Organe OK usw.

Samstagabend dann an den Tropf, zwecks Durchspülung der Nieren. Sonntagmorgen Beginn der Chemotherapie. 4x täglich jeweils 45 Tabletten (6 Uhr morgens, 12 Uhr, 18 Uhr und 24 Uhr). Und dazu noch insgesamt 5 Tabletten gegen verschiedene Nebenwirkungen. Diese Tablettenchemo ging über 4 Tage. Und mir ging es dabei wirklich elend! Es kostet schon ganz schön Überwindung, den Würgreiz bei so vielen Tabletten in den Griff zu bekommen... Und trotz der Gabe von Medikamenten gegen die Übelkeit musste ich mich ziemlich oft übergeben.

Donnerstag dann der intravenöse Teil der Chemo. Danach ging es mir richtig schlecht und ich habe mich stundenlang erbrochen. Außerdem reagierte mein Pflaster, das ich über dem Port hatte ganz fürchterlich, dass wir es abreißen mussten (die Haut sah aus wie verbrannt).

Am Freitag der zweite Teil der IV-Chemo. Wieder erbrochen. Mund und Nase brennen, als ob ich Pfeffer in rauhen Mengen eingeatmet hätte. Irgendwann falle ich erschöpft in den Schlaf, doch muss ich jede Stunde auf die Toilette, weil mein Körper 3 Kilo Flüssigkeit eingelagert hat und ich eine Entwässerungsspritze bekommen habe.

Samstag und Sonntag dann Pause, nur noch am Tropf mit "Spüllösung".

Montagmorgen noch "normales" Frühstück. Übelkeit ist verschwunden, aber Angst vor der Transplantation. Um 13 Uhr kommt die Schwester, ich muss mich ausziehen und bekomme ein "Engelhemd" an. Dann werde ich an einen Herz-Kreislaufmonitor angeschlossen. Der fängt bei der geringsten Abweichung heftig an zu piepsen.

Um genau 14 Uhr kommt dann das Transplantationsteam ins Zimmer. Alle sind verhüllt, mit Mundschutz, Kittel, Handschuhen. Dabei haben sie ein Auftaugerät und in einem Stahlbehälter meine tiefgefrorenen Stammzellen. Alles im Zimmer wird abgedeckt oder zumindest sterilisiert. Dann greift ein Arzt mit dicken blauen Handschuhen in den Stahlbehälter und holt meine Stammzellen heraus. Diese werden dann in den Auftaubehälter gegeben und kurze Zeit später reicht er sie dem Arzt an meinem Bett. Dieser zieht den Inhalt des 1. Beutels (insgesamt 2 Beutel sind es) in 2 große Spritzen auf und dann - tataaaa - der spektakulär-unspektakuläre Augenblick: Ich bekomme meine eigenen - hoffentlich wirklich lebensfähigen - Stammzellen injiziert.

Das Frostschutzmittel brennt fürchterlich in Hals, Mund und Nase (außerdem im Genitalbereich) und der Geschmack ist irgendwie, als hätte ich tags zuvor zu viel Knoblauch gegessen. Aber nach kurzer Zeit klingt das Gefühl auch wieder ab. Die Transplantation ist vorbei, die Ärzte verlassen das Zimmer.

Das war es nun, denke ich. Hab ich mir viel weltbewegender vorgestellt!

Bis abends hänge ich noch an diesem Herz-Kreislaufgerät. Bei jeder falschen Bewegung kommt es heftig ins Piepsen, so dass ich irgendwann beschließe, halt nur Fernseh zu gucken und mich so wenig wie irgend möglich zu bewegen. Natürlich muss ich auch gleich wieder auf die Toilette, als die Anspannung nachlässt. Tja, da muss ich diesmal wohl doch Bekanntschaft mit der Bettpfanne machen (ist gar nicht so schlimm, aber ständig möchte ich da nicht drauf!).

Um 18 Uhr wird endlich das Gerät abgenommen und ich darf mein eigenes Schlafzeug wieder anziehen. Bisher spüre ich eigentlich noch nichts außergewöhnliches...

Am nächsten Tag sind meine Leukos immer noch weit über 1000, aber wegen der Stammzelle bin ich halt schon isoliert. Das "keimarme" Essen schmeckt mal wieder gar nicht, ich habe regelrechte Hungerphantasien, was ich am liebsten alles essen würde.

Mittwoch sind die Leukos dann auf 300. Also hat die Chemo doch angeschlagen. Langsam merke ich auch wieder so ein paar Symptome der Aplasie, wie schlechtes Schlafen und geschwollenes Zahnfleisch.

Freitag dann erste Nebenwirkungen: Mein Mund ist dick, tut weh und der Hals ebenso. Da das im Laufe des Tages und auch am Samstag immer schlimmer wird, bekomme ich gegen die Schmerzen ein Morphiumpflaster auf den Rücken. Ich glaube ohne das hätte ich die Schmerzen kaum aushalten können!

Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag - die Tage gehen vorbei, ohne dass bei mir eine Besserung (aber wenigstens auch keine Verschlimmerung) eintritt.

In der Nacht zu Mittwoch schlafe ich sehr unruhig und träume intensiv, unter anderem dass die Stammzellen angewachsen sind und neues Blut produzieren. Nach der Blutentnahme am Morgen das Ergebnis - 700 Leukos (ja, sie steigen wieder, die Stammzellen haben ihre Arbeit aufgenommen *Stein vom Herzen fall*). Bilde ich mir das nur ein, oder werden die Beschwerden in Mund und Hals tatsächlich sofort weniger?

Donnerstag sind die Leukos dann schon auf 3400 und die Thrombos ziehen auch langsam nach (von 29000 auf 41000). Der Arzt sagt, dass ich, wenn sich die Werte stabil halten, Ostersonntag nach einer Blutkontrolle nach Hause darf!!!

Freitagabend dann ein anderer Stationsarzt - kommt in mein Zimmer, sagt dass er gerade an meinem Entlassungsbericht arbeitet und wünscht mir alles Gute. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken! Sollte ich tatsächlich schon am Samstag raus kommen?

Samstagmorgen - Blutkontrolle - bin aufgeregt, was, wenn die Werte wieder im Keller sind? Ich hab mich doch schon so auf "draußen" gefreut... Die Laborantin grinst mich nur an - "Frau Stecher, Sie sind schon zu Hause". Schnell auf die Station, den Arzt gesucht - jaaaa, ich darf gehen!

Okay, die nächsten Tage waren jetzt ganz schön stressig, weil ich doch mehr machen möchte, als mein Körper zu leisten imstande ist. Aber er zeigt mir auch ganz genau die Grenzen. Mit der BfA habe ich auch schon Kontakt aufgenommen. Innerhalb der nächsten Wochen werde ich zur Kur fahren, und was dann kommt - wird sich zeigen! Im Arztbericht steht ein für mich wahnsinnig wichtiger Satz: "Die leukämische Therapie ist vollkommen abgeschlossen."

Hoffentlich hält das jetzt auch an...;o)

Wer Fragen hat oder sich einfach austauschen will: info@leukaemie-betroffene.de

1. Nachtrag

Heute ist der 17.Mai 2001 und mir ist gerade ein ganzes Gebirge vom Herzen gefallen:

Gestern sollte ich zu meiner ersten Nachuntersuchung in die Klinik. In den letzten Tagen fühlte ich mich sehr schlapp und entdeckte auch immer wieder kleinere "Blaue Flecken", ohne dass ich mich erinnern konnte, mich gestoßen zu haben. Außerdem hatte ich auch mehrmals leichtes Zahnfleischbluten, was ich ansonsten nicht von mir kenne...

Irgendwie war mir ziemlich unwohl bei dem Gedanken an die bevorstehende Blutentnahme. Was kommt dabei heraus? Irgend etwas scheint doch nicht zu stimmen! Die Nacht auf Mittwoch habe ich fast gar nicht geschlafen vor Angst.

Mittwoch, 16. Mai 2001

8.30 Uhr, ich bekomme im Sekretariat meinen "Laufzettel", erste Station kapillares Blutbild im Labor. Dort komme ich auch sofort dran. Man freut sich, mich wiederzusehen und rein optisch sehe ich wohl auch "gut" aus (nach Aussage einer Laborantin). Ein kurzer Pieks. Warten auf das Ergebnis.

Die Laborantin reicht mir wenige Minuten später den Zettel mit dem Ergebnis mit den Worten, das sähe ja nicht so gut aus...

Ich schaue darauf - nur 53.000 Thrombozyten??? Aber ich hatte doch selbst zur Entlassung schon weit über 100.000!!! Was ist los?

Auswertung zum Arzt gebracht. Der ruft mich auch ziemlich schnell - trotz voller Sprechstunde - zu sich rein. Er will eine Biopsie machen, um zu klären, warum nur so wenig Thrombozyten. Ausgerechnet meine Horroruntersuchung, darauf war ich ja heute gar nicht vorbereitet! Aber was soll´s? Ich will ja auch wissen, was los ist.

Dann hat mein Arzt gleich telefoniert, wer in der Ambulanz sofort eine Beckenkammbiopsie machen könne. Nicht mal eine Stunde später lag ich auch schon auf dem Tisch und wurde örtlich betäubt. Okay, die Entnahme war - mal wieder - nicht gerade angenehm, aber viel schlimmer war die Angst: Was kommt nun dabei heraus?

Alle waren sehr lieb, die Schwestern streichelten und drückten mir die Hände und sprachen mir Mut zu. Ich musste dann noch eine Stunde auf einem Sandsack auf einer Liege warten, dann durfte ich nach Hause.

Den ganzen Tag über habe ich versucht, mich irgendwie abzulenken. Zum Schlafen habe ich mir eine SchlafTABLEtte gegönnt, die mir mein Arzt für Notfälle verschrieben hatte.

Donnerstag, 17. Mai 2001

Habe nicht gut geschlafen. Um 11 Uhr soll ich in der Klinik sein, zwecks Besprechung.

Ich bin natürlich schon viel zu früh da. Der Arzt ist gerade nicht in seinem Büro, aber die Sekretärin piepst ihn an und er kommt sofort. Er grinst - ES IST ALLES IN ORDNUNG!!!

Das Knochenmark zeigt keinerlei Blasten oder sonst wie entartete Zellen. Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass die verringerten Thrombos eine Reaktion meines Körpers auf die verabreichten Medikamente (Cotrim Forte, Antibiotikum) wegen meines geschwächten Immunsystems zurückzuführen sind. Der Arzt sagt, dass das sofort abgesetzt werden müsse, dann kommt auch alles mit den Blutwerten wieder in Ordnung.

*PLUMPS *

(Das war das Gebirge, welches mir vom Herzen gefallen ist)

Bettina

2. Nachtrag

Samstag, 05. Januar 2002

Ja, ich habe lange nichts mehr über mich geschrieben. Dafür hab ich umso mehr Dinge erlebt:

Im Juni/Juli hab ich aufgrund der fehlenden Zusammenführung von Infos Betroffener eine Selbsthilfegruppe im Internet ins Leben gerufen. Anfänglich als reine Mailingliste, da ich mich mit dem Medium Internet eigentlich kaum auskannte (ich wusste, wo man den Compi einschaltet, konnte bis dato auch mit einigen Anwendungen recht geschickt umgehen, ABER - Internet war eigentlich ein Buch mit, sagen wir mal, noch 4 1/2 großen dicken Siegeln *g*)

Erstaunlicherweise hatte ich mit dieser Idee wohl ein Bedürfnis vieler nach permanenterem Austausch entdeckt, denn es wurden schnell immer mehr feste Mitglieder.

Weil die Erreichbarkeit bei dem Anbieter der Mailingliste teilweise eher katastrophal war und keine Besserung in Sicht, entschloss ich mich Ende Oktober 2001, mich auf die Suche nach einer neuen "Community" zu machen. Bei Urbia wurde ich dann fündig, lud ein paar Mitglieder der Gruppe zum Testen dahin ein und wir beschlossen dann, den Umzug aller dorthin zu vollziehen.

Doch irgendwie ist das noch nicht das gewesen, was ich eigentlich wollte...

Eine eigene Seite, auf der es einen "offenen Bereich" für alle Leukämie-Interessierten hätte und zusätzlich einen Mitgliederbereich - das war mein großer Wunsch! Also, "schnappte" ich mir meinen Compi und begann. Es hat mich mehrere Wochen gekostet, in denen ich - mal freudestrahlend, wenn ich was auch so hinbekommen hatte wie ich es wollte aber auch manchmal völlig entnervt die Haare (ja, sie wachsen wieder!!!) raufend hier an meinem Computer verbrachte (teils bis früh in die Morgenstunden). Aber ich denke, es hat sich gelohnt, mein/unser Projekt nimmt mehr und mehr Gestalt an!

Was hab ich außerdem in den Monaten seit der ersten Nachuntersuchung getan?

Mitte Juli - meine ersten 100 Tage nach der Transplantation waren gerade rum - sind mein Mann und ich kurzerhand für 10 Tage nach Mallorca geflogen. Wir hatten eine Auszeit wirklich dringend nötig, na ja, ich war zwar noch krankgeschrieben, aber ich hatte das OK meines Docs im Krankenhaus und der Krankenkasse einen kurzen Brief mit meiner Begründung dazu geschrieben (und da kein ablehnender Bescheid kam...). Also sind wir an einem Donnerstag Anfang Juli zum Flughafen Hannover gefahren und haben kurzentschlossen für 8 Tage später eine Reise lastminute gebucht.

Und einen Tag später hab ich auf einmal ein Stechen und Brennen unterhalb der rechten Brust, wo sich innerhalb der folgenden Stunden erste Bläschen zeigen - na klar, da freut man sich auf nen Urlaub und dann krieg ich eine Gürtelrose, hab ich ja wieder super hingekriegt...

Zum Glück war die Attacke der Gürtelrose recht schnell zum Scheitern verurteilt, so dass ich - mit reichlich Medikamenten ausgestattet - dann doch fliegen durfte!

Im Flugzeug, noch auf der Rollbahn, flossen die ersten Tränen (ja, ich bin manchmal etwas rührselig, war ich schon vorher aber seit der Krankheit extrem...) - "Adios Leukämie - jetzt fängt mein Leben zum zweiten Mal an" (ich hab es glaub ich ziemlich laut vor mich hingesagt, weil einige Passagiere um uns mich so merkwürdig ansahen *g*)

Der Urlaub war klasse! Ich war zwar zum Teil noch recht wackelig auf den Beinen, aber alleine dass wir mal raus waren, mal was anderes sehen als nur Klinik und Wohnung... War so ziemlich eine der besten Entscheidungen, die wir jemals getroffen haben!!!

Nach 10 Tagen dann wieder zu Hause - ein Brief von der BfA und ein Anruf von der Kurklinik in Wyk auf Föhr warteten auf mich. Klasse, erst wochenlang zu Haus, wo nix passiert und dann kaum mal 10 Tage weg und alle reißen sich um mich.

So bin ich dann am 14. August für voraussichtlich 4 Wochen nach Föhr gefahren. Es war herrlich! Die Kurklinik ist eigentlich mehr im Stil einer Jugendherberge aufgemacht, alles etwas einfacher, aber für jemanden, der zum Kräftetanken hin will genau richtig! Nicht so ein streng geregelter Tagesablauf, sondern vielmehr Hauptaugenmerk auf persönliche Erholung. Man kann sich die Anwendungen mit dem behandelnden Arzt zusammen mehr oder weniger aussuchen (für mich gut, weil ich schon immer was gegen Zwang hatte und durch die Krankheit mir ja auch schon genug aufgezwungen wurde...). Am ersten Tag nach der Ankunft wollten sie mir Blut abnehmen (dabei war ich gerade 1 Tag vorher beim Hausarzt zur Kontrolle gewesen). Aber nicht mit mir - ich hatte die Nase echt voll von dem ewigen gepiekse. Und ich hab meine Venen dort erfolgreich verteidigt *stolzsei*!!!

Aus den geplanten 4 Wochen wurden 5, und obwohl mein Männe mich fast jedes Wochenende da oben besuchte, war ich dann doch froh, als er mich am 18. September dort wieder abholen konnte (er ließ es sich nicht nehmen, sich einen Tag Urlaub zu nehmen, um mich direkt in Wyk abzuholen, fand ich echt lieb!).

Zwar gab es in der Klinik dort auch manches, was ich nicht ganz so toll fand, aber trotzdem: Dieses Jahr werde ich meine Kur dort auch wieder verbringen, wenn es klappt - Wasser, Sonne, frische Luft, Fahrradfahren...AUFTANKEN!

Nach meiner Rückkehr habe ich meinen Hausarzt glaub ich noch zweimal gesehen: Einmal zum erneuern der "Dauerkrankmeldung" und einmal, um mich zum 01. November "gesundschreiben" zu lassen. Ich hatte nämlich auch noch eine ganze Menge Urlaubstage aus 2000/2001, die mir freundlicherweise von meinem Arbeitgeber aufgehoben wurden.

Mein Zeitplan für die berufliche Wiedereingliederung sah folgendermaßen aus:

Da ich noch 41 Tage Urlaub hatte, wollte ich aus der Krankmeldung raus, mal wieder Gehalt bekommen (ist nämlich doch ne Ecke mehr...)

Ab 01. November 2001 Urlaub bis einschließlich 03. Januar 2002.

Richtig - da heute der 05. Januar 2002 ist, war ich gestern zum ersten Mal seit rund 15 Monaten wieder arbeiten...

Jetzt wird sich zeigen müssen, ob ich dem Arbeitsleben auf Dauer wieder so gewachsen bin, aber ich bin doch recht guter Dinge! Schließlich nehmen erstaunlicherweise fast alle in meinem Umfeld doch eine Menge Rücksicht auf mich! Mein Mann meint, wenn es mir zu viel wird, mit der Arbeit, dann solle ich halt Stunden reduzieren (das schaffen wir irgendwie finanziell auch noch); in der Firma sitze ich auf einer sog. "Sozialstelle" so dass ich geregelte Arbeitszeiten hab und auch nicht sofort wieder 100 %ig funktionieren muss usw. usf.

Leben, Du hast mich wieder!!!

Tina Stecher

3. Nachtrag

September 2013

Gerade sind wir (mein Mann und ich) aus einem Türkei-Urlaub zurückgekehrt.

Vor 13 Jahren ging es mir in und nach dem Urlaub sehr schlecht und im Oktober 2000 wurde dann die AML diagnostiziert. 

Heute, 13 Jahre danach, geht es mir gut und mein Mann und ich genießen unser gemeinsames Leben. 

Vieles hat sich seit der Diagnose getan, wir haben ein Haus gebaut, gegen viele Widrigkeiten angekämpft, ich musste mir 30% Restbehinderung nach der autologen SZT erklagen (damit ich im Rahmen der Gleichstellung den erweiterten Kündigungsschutz erhalte), meinen Platz im Job habe ich (mit leicht reduzierter Stundenzahl, weil Freizeit ist soooo wichtig!) wieder vollends gefunden und - wie meine damalige Chefin mir am Krankenbett mal sagte:

 "Alles wird gut!" (danke C.K.!)

Natürlich ist mein Leben völlig anders verlaufen, als es das ohne meine Erkrankung getan hätte. Ob nun besser oder schlechter - kann und mag ich nicht sagen. Meine positive Grundstimmung habe ich mir zum Glück immer bewahren können, was es für mich und mein Umfeld mit Sicherheit leichter gemacht hat. 

Im Job musste ich lange kämpfen, um wieder (weiter) voranzukommen, dank einer guten Therapeutin und mit viel eigener Arbeit habe ich das mittlerweile geschafft.

Apropos Therapie (Psychotherapie): Manch einer mag meinen "Ich schaffe das alleine" - und das kann ja durchaus auch so sein.

Aber wenn man merkt, es geht alleine nicht: Holt euch Hilfe, die Bewältigung eines solchen Einschnitts ins eigene Leben erfordert viel Kraft und manchmal halt auch Unterstützung durch Profis. Bei der Behandlung unserer körperlichen Symptome haben wir uns ja auch auf Fachleute verlassen (müssen), es ist keine "Schande" sich Hilfe für die Seele vom Spezialisten zu holen!

In diesem Sinne - ich bin noch da und ich habe vor, dies noch lange zu bleiben!

 

Tina

Vielen Dank für den Bericht an Tina Stecher.
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Weitere Erfahrungsberichte von Tina Stecher

Tina Stecher hat hier zwei Erfahrungsberichte veröffentlicht:

  1. Erfahrungsbericht nach AML und autologer Stammzelltransplantation
  2. Erfahrungsbericht nach B-NHL